"Wir wissen viel, aber wir lernen nicht daraus"

Dortmunder Raumplaner diskutieren Möglichkeiten des Katastrophenschutzes

Wirkungsvoller Katastrophenschutz beginnt lange vor der Katastrophe und hat viel mit richtigem Management zu tun. Das wurde auf der dritten Station des „Millennium Express“ Ende April deutlich. „Planning for Disaster Prone Areas: Approaches, Strategies and Experience from Haiti“ lautete das Thema eines Workshops, zu dem 18 DAAD-Stipendiaten der Technischen Universität Dortmund einluden.

Gute Planung ist mindestens so wertvoll wie schnelle Hilfe: Dieses Fazit stand am Ende zweitägiger Diskussion und intensiven Austausch über die Chancen des Katastrophenschutzes. 66 Teilnehmer brachten ihre Ideen und Erfahrungen ein.

Das Katastrophenrisiko ergibt sich einerseits aus der rechnerischen Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Unglück kommt, andererseits aus der Verwundbarkeit einer Region. Deshalb hätten Planer mehrere Möglichkeiten im Vorfeld einzugreifen, erläuterte Mark Fleischhauer vom Institut für Raumplanung der TU Dortmund: Zum einen müssen die Strukturen so gestaltet sein, dass sie weniger anfällig sind. Zum anderen müssen Gebieten mit mehrfachem Risiko so weiterentwickelt werden, dass künftige Katastrophen weniger Schaden anrichten können. Darüber hinaus sollten Bewohner gefährdeter Regionen informiert und darin trainiert werden, wie sie ihr persönliches Risiko verringern können. „Raumplaner wissen meist, was zu tun ist“, sagte Fleischhauer. „Das Problem ist, dass ihnen die Ressourcen fehlen, um die Entscheidungsträger zu überzeugen.“

Mangelnder politischer Wille ist häufig verknüpft mit zu schwachem Bewusstsein für mögliche Gefahren. „Das soziale Gedächtnis für Katastrophen überdauert nur wenige Generationen“, sagte Felix Diesner, Experte für Nahrungssicherheit aus Kolumbien. Deshalb würden Fehler immer wieder gemacht: Menschen siedeln in Flussbetten, die von Überschwemmung gefährdet sind, bauen marode Häuser in Hanglagen, die einem Erdbeben oder Erdrutsch nicht standhalten oder holzen Wälder ab, die Erosion vermeiden. „Wir wissen viel, aber wir lernen nicht daraus.“ Das Problem besteht besonders in Entwicklungsländern, wo große Armut und geringe Aufklärung eine nachhaltige Planung erschweren – mit fatalen Folgen bei Katastrophen: Die Zahl der Toten ist 50mal so hoch wie bei einem gleichartigen Ereignis in Industrieländern.

Mit dem Dortmunder Workshop wollten die Organisatoren, die 18 Teilnehmer des Studiengangs „Spatial Planning for Regions in Growing Economies“ (SPRING), die Wahrnehmung für naturbedingte und von Menschen gemachte Gefahren schärfen. Deshalb berichtete Johannes Horstmann, Alumnus des Dortmunder Studiengangs, von seinen Erfahrungen während des Erdbebens in Haiti. Yegana Guliyeva vom Caribbean Regional Office der Lutheran World Federation gab einen Einblick in die Praxis der Helfer.

Die Veranstalter ließen auch Bilder sprechen: Eine Ausstellung zeigte Fotos vor, während und nach den Katastrophen in Haiti, Japan und Pakistan. Dazu stellten die Organisationen Save the Children und Food For The Poor sowie Inka Reichert, Ali Barkat und Yuki Goto Aufnahmen zur Verfügung. Auch bei der Ausstellung spielten persönliche Erfahrungen eine wichtige Rolle. DAAD-Stipendiat Ali Barkat zum Beispiel steuerte seine Fotos von den Anfängen der Flutkatastrophe 2010 in Pakistan bei. Im Einsatz nahe der chinesischen Grenze war der Dortmunder SPRING-Student von heftigen Regenfällen überrascht worden. Zu Fuß und in Leihfahrzeugen mussten er und seine Kollegen sich drei Tage lang durchschlagen. „Es war eine tiefgreifende Erfahrung, zu erleben, wie die Menschen von der Katastrophe getroffen wurden – aber gleichzeitig uns geholfen haben.“

Der Workshop war nicht nur thematisch bereichernd: Die DAAD-Stipendatin Rowena Zapanta von den Philippinen ist davon überzeugt, das sie als Mitorganisatorin viele nützliche praktische Erfahrungen für ihr Berufsleben gewonnen hat.

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