1 bis 8: Wie nah sind wir an den Millenniumentwicklungszielen?

Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger

DAAD-Stipendiatinnen und -Stipendiaten nehmen die acht Millenniumentwicklungsziele der Vereinten Nationen in den Blick. Ihre beruflichen Erfahrungen und ihr Studium in Deutschland machen sie dabei zu Experten. Diesmal kommt der Nepalese Surendra Gautam zu Wort.

MDG1_July copy

Anleitung zur Selbsthilfe
Surendra Gautam arbeitet bei der Welthungerhilfe in  Nepal. Dort hilft er dabei, NGO-Projekte umzusetzen und zu optimieren, mit deren Hilfe   seine Landsleute in neuen Methoden zum Anbau von Lebensmitteln geschult werden. Seine Expertise gewann er an der TU Dresden, wo er als DAAD-Stipendiat von 2007 bis 2009 Hydro Science und Engineering studierte.

Surendra Gautam Foto: Michael Meinhard

Surendra Gautam
Foto: Michael Meinhard

Ab wann leidet ein Mensch unter extremer Armut oder Hunger?
Menschen hungern, wenn sie so arm sind, dass sie ihre Kinder nicht ernähren können. Ich kann mir eine solche Situation nicht vorstellen, aber in meiner Arbeit mit den Chepang-Bauern, Ureinwohner Nepals, sehe ich das Elend täglich. Sie sind sehr arm und müssen sich von dem ernähren, was ihnen die Vegetation bietet. Das sind vor allem Pflanzenwurzeln wie Githa, Vyakur und Yam. Diese werden zwölf Stunden gekocht und bilden dann die Hauptmahlzeit. Es schmeckt sehr bitter, aber die Menschen hier haben keine Alternative.

Welche Auswirkungen hat es auf ein Land, wenn ein Teil der Bevölkerung nichts besitzt?
Solche Länder haben noch einen langen Weg zu gehen. Ein Land entwickelt sich erfolgreich, wenn seine Bevölkerung ein Mindestmaß an Wohlstand hat. Nur an das wirtschaftliche Wachstum zu denken, führt nicht weiter. Die Armen bleiben dann weiterhin auf der Strecke.

Bis 2015 soll sich der Anteil der Menschen, die weniger als einen US Dollar pro Tag zur Verfügung haben halbieren. Ist das zu schaffen?
An Nepal sehen wir, dass das Ziel noch in weiter Ferne ist. Rund 27 Prozent der Menschen hier leben unter der Armutsgrenze. Das sind zwar 5 Prozent weniger als 2005, aber besonders in den Städten entsteht eine neue Armut. Entwicklungsländer haben das Problem, dass die junge Bevölkerung das Land verlässt und auf den internationalen Arbeitsmarkt strebt, wo sie auf bessere Chancen hofft. Die Alten und Kinder, die zurückbleiben, können aber nicht auf den Feldern arbeiten. Sie gehen in die Städte und die Felder liegen brach. Wir müssen die jungen Menschen dazu motivieren, im Land zu bleiben oder aus dem Ausland zurückzukehren. Um ihnen eine Perspektive zu geben, brauchen wir langfristige Lösungen. Einfach Geld und Nahrung bereitzustellen, reicht nicht. Einmal aufgebraucht, kehrt die Armut zurück.

Wie sehen nachhaltige Lösungen aus?
Projekte werden nur nachhaltig sein, wenn man die Bevölkerung vor Ort direkt einbezieht. Es gibt genug Beispiele aus Entwicklungsländern, in denen Projekte im Sande verlaufen – ein kleines technisches Problem reicht oft schon aus. Die Bewohner nehmen die Situation hin, weil sie die Projekte nicht als „ihre“ Projekte sehen. Damit das bei uns nicht geschieht, binden wir alle Beteiligten von Beginn an ein. Sie werden zu eigenem Handeln ermutigt und übernehmen dann später auch Verantwortung. Zurzeit errichten wir zum Beispiel eine Schule. Die Kinder haben ihre Ideen mit eingebracht und helfen bei der Umsetzung. Sie werden sich ihr Leben lang dieser Schule verpflichtet fühlen.

Was tut die Welthungerhilfe gegen Armut und Hunger?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir das Verhalten der einheimischen Bevölkerung nicht von heute auf morgen ändern können. Ihre Anbaumethoden beruhen auf einer langen Tradition.  Sie werden neue Techniken nur bedingt akzeptieren und brauchen Zeit, bis sie Empfehlungen von Fremden annehmen. Während der gesamten Laufzeit eines Projektes arbeiten wir daran, ihr Vertrauen zu gewinnen. Deshalb haben wir das „Green School Project“ ins Leben gerufen. Wir gehen in die Schulen und erklären den Kindern, wie Lebensmittel auf den Feldern ökologisch und effizient angebaut werden. Und die Kinder erzählen es anschließend ihren Eltern.  Mit einer Schulklasse erreichen wir die Familien der Kinder, und so verbreitet sich das Wissen stetig in der gesamten Region.

Was ist Ihr Vorschlag zur Bekämpfung von Armut und Hunger?
Jede Gegend hat ihre eigenen Potenziale, die ausgeschöpft werden müssen. Dafür braucht es immer Experten vor Ort, die mit der Kultur des jeweiligen Landes vertraut sind. Außerdem bietet Nepal viele touristische Attraktionen wie den Himalaya und die unglaubliche biologische Vielfalt. Könnte sich das Land langfristig als touristisches Ziel etablieren, würde das der Bevölkerung enorm helfen.

Mehr Informationen zum ersten Millenniumentwicklungsziel gibt es hier