Das Problem liegt auch in den Köpfen

Interview mit Umweltexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker

Einen der führenden Vordenkern zum Thema nachhaltige Entwicklung haben die Stipendiaten des DAAD-Masterstudiengangs „Environmental Governance“ zu ihrer Freiburger Konferenz eingeladen: Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker. Der Physiker und Biologe war Direktor des UNO Zentrums für Wissenschaft und Technologie in New York und des Instituts für Europäische Umweltpolitik. Als Gründungspräsident baute er das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie mit auf. Von Weizsäcker macht sich in seinem neuen Buch „Faktor Fünf“ für zukunftssicheres, umweltschonendes Wirtschaften stark.

In Freiburg geht es um die Frage, wie ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit gelingen kann. Ihre Antwort dazu lautet: Ressourcen effektiver nutzen und damit größeren Wohlstand erreichen. Funktioniert das?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Mathematisch-technisch betrachtet ist das möglich. Die weltweite Ressourcenproduktivität ließe sich um mindestens 75 bis 80 Prozent steigern. Dort, wo am meisten Treibhausgas ausgestoßen wird – Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr – könnte man aus einer Kilowattstunde fünfmal soviel Wohlstand herausholen. Das Problem liegt in den Köpfen und in den ökonomischen Rahmenbedingungen. In den USA wurde zum Beispiel schon vor 20 Jahren ein Auto entwickelt, das nur 1,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern verbraucht. Trotzdem ist nicht dieses Auto in Serie gegangen, sondern wahre Spritfresser.

Woran liegt das?

Wir leben in einer Kultur der Verschwendung. Verschwendung wird subventioniert oder zumindest ökonomisch möglich gemacht. Die USA dienen dabei als Vorbild und Länder weltweit eifern ihnen nach. Wir in Europa machen das zwar ein wenig besser, aber noch längst nicht gut genug.

Wie kann man Menschen für mehr Nachhaltigkeit gewinnen?

Das ist schwierig. Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem baut auf Neid und Egoismus auf und braucht dafür ständig Wachstum. So sind alle Effizienzgewinne immer wieder in Wachstum gegangen. Man nennt das den Rebound- oder Bumerang-Effekt: Wenn ein Mittelklassewagen durch bessere Technik weniger Benzin verbraucht als früher, dann führt das nicht dazu, dass dieser Rohstoff geschont wird. Stattdessen fahren die Leute für gleiches Geld weitere Strecken oder leisten sich ein zusätzliches Auto.

Welche Lösung schlagen Sie vor?

Aus meiner Sicht gibt es nur einen Weg: Energie und Naturverbrauch müssen in dem Maße verteuert werden, wie die Effizienz zunimmt. Das ist Aufgabe des Staates, weil der Markt 200 Jahre lang die Naturnutzung immer billiger gemacht hat, trotz schwindender Ressourcen. Bei der Gewissheit, dass Energie und Rohstoffe teurer werden, würden die meisten Menschen auf Effizienz und Sparsamkeit umstellen und das Auto nur noch dort nutzen, wo es unschlagbar besser ist als Bahn oder Fahrrad.

Also Rückkehr zu mehr Genügsamkeit?

Genügsamkeit ist eine gute Tugend, aber die Mehrheiten erreicht sie kaum. Wir brauchen eine gute Mischung aus Effizienz und Suffizienz. Hierfür ist das Signal der sanft ansteigenden Preise der richtige Rahmen. Unsere ökologischen Fußabdrücke würden sich verkleinern, unser Wohlbefinden nicht. Wegwerfgesellschaft und Umsatzmaximierung haben wenig mit Wohlbefinden zu tun. Ein Haus, das praktisch keine Energie mehr braucht oder ein Skatspiel oder Hauskonzert, das ohne Teneriffa-Reise möglich ist, kann hohe Lebensqualität verkörpern.