Startschuss für eine bessere Stadtplanung

Die ersten Absolventen des deutsch-arabischen Studiengangs „Integrated Urbanism & Sustainable Design“ (IUSD) feiern ihr Examen. Foto: team bildhübsche fotografie

Die ersten Absolventen des deutsch-arabischen Studiengangs „Integrated Urbanism & Sustainable Design“ (IUSD) feiern ihr Examen.
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Mit mehr Weitblick wollen 22 Architekten, Bauingenieure oder Sozialwissenschaftler zukünftig im Nahen Osten und in Nordafrika planen und bauen. Dafür haben sie zwei Jahre an den Universitäten Stuttgart und Ain-Shams in Kairo „Integrated Urbanism & Sustainable Design“ (IUSD) studiert. Die gemeinsame Zeit hat sie verändert.

„Das wirklich Wichtige an diesem gemeinsamen Master ist, dass daraus eine Generation erwächst, die den modernen Herausforderungen von Stadt- und Raumplanung begegnen und neue Ideen und Lösungen hervorbringen kann“, sagt Mohamed Abdel Aziz. Der ägyptische Stadtplaner und Spezialist für Geoinformationssysteme fühlt sich seit seinem Doppelabschluss um Vieles reicher: „Es war für mich eine wichtige Lebenserfahrung, mit den unterschiedlichen Kulturen und Hintergründen meiner Kommilitonen umzugehen.“

Der interdisziplinäre IUSD-Studiengang will eine Menge erreichen: Fachlich sollen die Absolventen in die Lage versetzt werden, moderne und nachhaltige Stadtentwicklungsprozesse in den MENA-Ländern voranzutreiben. Im Mittelpunkt des ersten Studienjahrs in Stuttgart steht ein Modul, das sich „Integrated Research and Design“ nennt. Im zweiten Jahr geht es mit „Integrated Case Study“ an der Ain Shams Universität in Kairo an eine reale Aufgabe.

Bäumepflanzen reicht nicht
In Kairos informellen Siedlungsgebieten lernten die Studierenden 2012, wie man unter den dortigen Bedingungen Projekte entwickelt. Sie gaben den Anstoß für konkrete Maßnahmen wie die Einrichtung eines Marktes für lokale Produkte, die Aufwertung eines Schulgeländes und die Errichtung von Biogasanlagen auf Dächern.

„Das studentische Team musste die ungeplanten baulichen Strukturen erfassen und die Bedürfnisse und Sichtweisen der Bewohner sowie der verschiedenen Behörden kennen lernen“, berichtet die Landschaftsarchitektin und Professorin Antje Stokman, die das deutsch-arabische Programm gemeinsam mit dem ägyptischen Stadtplaner Professor Mohamed Salheen leitet. „Anschließend überlegten sich die Studierenden Projekte für das Gebiet und setzten diese teilweise auch um.“ Dank der Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Projektpartnerin werden die erfolgreich angestoßenen Veränderungen weiter entwickelt und betreut.

„Das beste Ergebnis ist für mich, dass ich zu meiner Forschung nun auch das Wissen habe, wie ich meine Arbeit an der Basis umsetze“, sagt die ägyptische Architektin Nahla Makhlouf, die an der Faculty of Engineering der Cairo University als Assistentin lehrt. Gelernt haben die IUSD-Absolventen dabei auch, wie breit die Kompetenzen im Team gefächert sein müssen, um stadtplanerisch erfolgreich zu sein. „Beispielswiese geht es bei der Verbesserung eines Schulgeländes um ökonomische Strategien, um Workshops, an denen Bürger beteiligt sind, und auch um technische Komponenten wie Gebäudetechnik und Wasserrecycling“, sagt Antje Stokman. Das alles müsse miteinander zu einem Gestaltungsansatz verbunden werden. „Einfach Bäume in einen Plan zu zeichnen führt nicht zum Ziel.“

Foto: team bildhübsche fotografie

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Team-Geist und Vielfalt
Die intensive Teamarbeit und die kulturellen Unterschiede der Teilnehmer aus verschiedenen arabischen Staaten und Deutschland führten manchmal an persönliche Grenzen. Nahla Makhlouf aber spricht vielen Kommilitonen aus der Seele, wenn sie betont: „Die interkulturelle Idee des Programms ist so bereichernd im Hinblick auf das Verständnis des jeweils „anderen“, den Glauben an Vielfalt und daran, dass man sich ergänzen und mit Unterschieden leben kann.“ Ein ganz eigener Team-Spirit und eine gemeinsame Kultur sind entstanden.

Auch das Dozenten-Team der Lehrenden lernte dazu: „Wir mussten in diesem starken Praxis-Projekt eine angemessene Form der Lehre finden“, sagt Antje Stokman. Neueste Erkenntnisse aus der Forschung sollten einfließen und eigene Forschung zu aktuellen Themen gefördert werden. „Dabei waren die Rückmeldungen und Ideen der Studierenden sehr wertvoll.“

Die 22 Masterarbeiten des ersten IUSD-Jahrgangs spiegeln die erfolgreiche gemeinsame Arbeit. Das ägyptische Forschungsministerium finanziert jetzt erste Projekte für nachhaltiges Bauen. Viele Teilnehmer des IUSD-Programms wollen nach den einschneidenden Erfahrungen beruflich eigenständigere Wege einschlagen. Mohamed Abdel Aziz ist überzeugt: „Das Programm unterstützt Ägyptens junge Generation dabei, wichtige Entscheidungen für die Entwicklung Kairos zu treffen. Das könnte der Startschuss für eine bessere Stadtentwicklung sein.“

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