Gesellschaft ohne Wachstum

„Die Energiewende gelingt nicht ohne grundlegende kulturelle Veränderung“, erläuterte Oliver Richters auf dem Workshop „Sustainability and Renewable Energy“ an der Universität Oldenburg. Der Physiker und Vorsitzende der Vereinigung für Ökologische Ökonomie beschäftigt sich mit der „Postwachstumsgesellschaft“.

Oliver Richters © privat

Oliver Richters © privat

Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen ausreichend?
Oliver Richters: Das bezweifle ich. Die erneuerbaren Energien werden in Deutschland zusätzlich zu den anderen Methoden der Energieerzeugung installiert. Unterm Strich haben wir die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung nicht verringert, es wurden sogar neue Kohlekraftwerke gebaut. Wir sind nicht bereit, den Stromverbrauch ernsthaft zu reduzieren.

Der technologische Fortschritt ermöglicht immerhin mehr Effizienz beim Energieverbrauch – hilft das?
Oliver Richters: Prinzipiell hat technischer Fortschritt diese enormen Ressourcendurchsätze und Umweltschäden erst ermöglicht. Zwar gelingt es uns, immer effizienter zu werden, doch unser Ressourcenverbrauch und unsere CO2-Emissionen sinken nicht, wenn wir effizientere Motoren beispielsweise dafür nutzen, mit demselben Verbrauch schneller und weiter zu fahren.

Was muss bei allem Engagement für Erneuerbare Energien noch geschehen?
Oliver Richters: Sicher schadet Energieeffizienz nicht, außerdem können wir die Konsistenz verbessern, indem wir durch erneuerbare Energien natürliche und industrielle Kreisläufe schließen. Nicht vergessen dürfen wir jedoch den dritten, in der politischen Debatte unbeliebten Aspekt: die Suffizienz, also die Genügsamkeit. Wir müssen die Reduktion des Verbrauchs als unabdingbare Strategie in die gesellschaftliche Diskussion übernehmen und der Frage nachgehen, wie wir Bedarf und Nachfrage nach Energie und Rohstoffen senken können.

Und das Wirtschaftswachstum?
Oliver Richters: Eine ehrliche Energiewende und der Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft sind nicht kompatibel mit einer immer weiter wachsenden Wirtschaft. Der Ausstieg aus dieser Logik der steten Steigerung ist eine schwierige kulturelle Frage. Doch wir spüren bereits sinkende Wachstumsraten in den Industrieländern, was es notwendig macht, Konzepte für Finanzsysteme oder soziale Sicherungssysteme zu entwickeln, damit diese nicht mehr auf Wachstum angewiesen sind. Die Frage ist, wie wir eine „Postwachstumsgesellschaft” gestalten können, die auch ohne Wachstum funktioniert.

Was bedeutet das für Entwicklungsländer?
Oliver Richters: Ich bin überzeugt davon, dass wir voneinander lernen können, zum Beispiel bei der Reduktion des Energieverbrauchs. Entwicklungs- und Schwellenländer gelingt es, ihre Gesellschaft mit geringem Ressourcenverbrauch am Laufen zu halten – zum Beispiel mit Hilfe von kleinbäuerlichen und regionalen Versorgungsstrukturen. Diese sind zum Teil sogar effizienter, was die Produktion pro Fläche und Ressourceneinsatz angeht, aber eben arbeitsintensiver und daher derzeit auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig.

Und wie kann man die Debatte um den Energieverbrauch ankurbeln?
Oliver Richters: Nehmen wir das Beispiel der Ingenieure, auf denen derzeit die gesamte Verantwortung für die Zukunft im Energiebereich lastet. Aber technischer Fortschritt allein wird uns nicht retten, wir können nicht beliebig effizient werden. Wir sollten im ingenieurwissenschaftlichen Studium den Blick erweitern, wie es das Oldenburger Postgraduate Programme Renewable Energy als Vorreiter bereits tut: Die Studierenden erhalten Kenntnisse in Ökologie, und die vielfältige Ausbildung schult ihr Bewusstsein dafür, was technologische Entwicklungen leisten und in der Umwelt anrichten können. Dabei ist gerade der Austausch mit Studierenden aus den sogenannten Entwicklungsländern wertvoll, denn wir brauchen diese breite Perspektive auf die gemeinsamen Probleme.

 

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