Ingenieure und Manager diskutierten in Suderburg weit über die Technik hinaus
Kaum ein Thema ist so vielschichtig wie Wasser. Das wurde auf der fünften Station des Millennium Express im Norden Deutschlands deutlich. Das Thema: „Enough Water for all“ – Genügend Wasser für alle. Um dies zu ermöglichen, müssen Ingenieure nicht nur Wehre, Staudämme, Bewässerungsanlagen oder Kanalisationssysteme bauen. Auch soziale Fragen spielen bei der Bereitstellung von ausreichend Wasser eine entscheidende Rolle.
Der Suderburger Workshop begann mit „Wasserspielen“: Wer schafft es, mit Augenmaß genau einen Liter Wasser zu pumpen? Wer schmeckt den Unterschied zwischen Mineral- und Leitungswasser? Die Studierenden im Masterstudiengang „Klimawandel und Wasserwirtschaft“ (KLIWAWI) hatten für die Gäste des Workshops mehrere Stationen mit Fragen rund um das kostbare Nass aufgebaut. Der Parcours führte die aus ganz Deutschland angereisten DAAD-Stipendiaten quer über den Campus und in die Labore. Was zunächst einfach aussah, erforderte Fingerspitzengefühl. „Beim Pumpen haben alle die Menge eines Liters überschätzt und zuviel abgefüllt“, erzählt der Brasilianer Humberto da Silva, DAAD-Stipendiat im KLIWAWI-Studiengang.
Technik macht einen großen Teil der Arbeit der Wasserbau-, Umwelt- und Agraringenieure und Naturwissenschaftler aus, die sich in Norddeutschland trafen. So waren sie fasziniert von den Versuchen in den Laboren auf dem Campus Suderburg der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Beispielsweise beschäftigten sie sich mit Phänomenen, die am Überlauf eines Wehres entstehen.
Bessere Technik – mehr Nutzen
Die Wasserprobleme in den Heimatländern der Stipendiaten sind sehr unterschiedlich und doch ähnlich. Meist geht es darum, Wasser mit technischen Mitteln ohne Verluste zu transportieren. „Wir haben aufgrund der klimatischen Bedingungen zu bestimmten Zeiten zu viel Wasser bis hin zu Überschwemmungen oder es fällt kein Tropfen Regen und das Land trocknet aus“, berichtet Zaw Zaw Latt aus Myanmar. Er hat „Water Resources Management“ studiert und wird ab dem Wintersemester in Lüneburg mit einem DAAD-Stipendium promovieren.
Technische Innovation ist daher entscheidend, sagt seine Landsmännin Myint Thidar: „Wir müssen herausfinden, mit welcher Technologie wir das Wasser in unserer Umgebung wirkungsvoll nutzen können. Wie können wir Wasser auffangen, speichern und in Trockenzeiten damit die Felder bewässern?“ Das muss gut überlegt sein, denn, so betont Zaw Zaw Latt, „Beregnungsanlagen bringen in heißen Ländern gar nichts. Das Wasser verdunstet, bevor es den Boden erreicht.“
Rohstoff oder Menschenrecht?
Ganz andere Fragen stellten sich den rund 40 Teilnehmern in den vier intensiven Workshops. „Über faire Wasserpreise müssen wir diskutieren“, sagt Humberto da Silva, der die Folgen des Klimawandels für die weltweite Wasserversorgung im Blick hat. In den nächsten 45 Jahren werde vermutlich jeder zweite Mensch in einer Gegend leben, in der Wasser knapp ist. „Was mit Öl passiert, wird auch mit Wasser geschehen. Es wird weniger und teurer“, so der DAAD-Stipendiat.
„Die Erfahrung, dass der Wasserverbrauch überall auf der Welt anders oder mitunter gar nicht abgerechnet wird, gehörte zu den ersten Lerneffekten der Austauschs“, berichtet Professor Klaus Röttcher, der den KLIWAWI-Studiengang koordiniert und seine Studierenden bei der Vorbereitung des Workshops unterstützt hat. Der Preis für Leitungswasser ergibt sich unter anderem aus den Kosten für Aufbereitung, Leitungen und Transport. „Aber wie vermitteln wir, welchen Wert Wasser an sich hat?“ fragt Resha Piya. Die Nepalesin studiert in Flensburg im Masterstudiengang „Energy and Environmental Management“, gefördert vom DAAD.
Der Zugang zu Wasser ist seit 2002 ein weltweit gefordertes Menschenrecht, das aktuell für mehr als 800 Millionen Menschen nicht existiert. Dabei trifft der Mangel stets die Armen. Darf man den Ärmsten der Armen also überhaupt Geld für ein Menschenrecht abverlangen? Die Diskussion in Suderburg war heftig und berührte die grundlegenden Weichen, die man stellen muss, wenn Wasser zum Thema wird. Deutlich wurde der Unterschied, ob man von Wasser als einer limitierten Ressource spricht, vom allgemeinen Recht auf sauberes Wasser, von Trinkwasser oder von „Brauchwasser“, dem vom Menschen benötigten Rohstoff im Lebensalltag oder in der Industrie.
„Unser Konzept ging mit der angeregten Diskussion voll auf“, sagt Klaus Röttcher. „Wir haben darauf gesetzt, dass mehr Austausch, Verständnis und Miteinander möglich wird, wenn die Teilnehmer 2,5 Stunden zusammenarbeiten und nicht nur zuhören müssen“. Für Humberto da Silva kam die intensive Debatte nicht unerwartet, denn „über Wasser kann man ewig reden.“