Interview mit Salma Bakr und Martin Haagen
Mit einem Bachelor in Philosophie und Wirtschaft ist Martin Haagen einer der wenigen Geisteswissenschaftler im deutsch-arabischen Masterstudiengang „Erneuerbare Energien“ an den Universitäten Kairo und Kassel. Seine Kollegin Salma Bakr kommt aus Ägypten und ist Ingenieurin. Bevor sie in sich für den bi-kulturellen Masterstudiengang entschied, arbeitete sie in Belgien in einem Forschungsinstitut für Mikro- und Nanotechnologie. So unterschiedlich ihre kulturelle Herkunft und ihr Werdegang auch sind, Ziele und Hoffnungen im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit führen die beiden DAAD-Stipendiaten zusammen.
Was sind Ihre Ziele?
Bakr: Ich möchte mit dazu beitragen, die Entwicklung in meiner Heimat Ägypten voranzutreiben. Deshalb beschloss ich, meinen Karriereweg zu ändern und wieder an die Uni zu gehen. Meine Kenntnisse in Elektronik will ich stärker für eine nachhaltige Sicherung der Energieversorgung und für die Lösung von Umweltproblemen einsetzen. Ich würde gerne in Kooperationsprojekten zwischen Deutschland und Ägypten arbeiten.
Haagen: Nach meinem ersten Abschluss habe ich in Ägypten gearbeitet und mich dort mit den administrativen und finanziellen Aspekten von erneuerbaren Energien beschäftigt. Windgeschwindigkeit und Sonnenenergie bergen dort großes Potenzial für erneuerbare Energien. Bioenergie dagegen ist nahezu ausgeschlossen, weil Wasser knapp ist und es ein Verbrechen wäre, Energiepflanzen für den Biosprit in deutschen Autos anzubauen. Ich möchte dabei helfen, technisches und praktisches Wissen so zu transferieren, dass es sinnvoll und nachhaltig für die arabische Region ist. Für mich geht es darum, die ganze Entwicklung der Region zu sehen und einen hohen Mehrwert zu schaffen. Denn Jobs sind in Ägypten noch wichtiger als grüne Energien. Ich sehe meine Aufgabe in einer Vermittlerrolle, vielleicht im Auftrag deutscher Unternehmen.
Wo liegen die Herausforderungen?
Haagen: Viele Ägypter brauchen billige Energie. Von Menschen, die am Existenzminimum leben, kann man nicht verlangen, dass sie sich eine Fotovoltaikanlage auf das Dach stellen. Aber die Energiesubventionen fressen die Budgets der Regierung auf. Wenn die Energiepreise weiter steigen, bekommt das Land große Probleme.
Bakr: In den arabischen Ländern kann man in der Regel gut technische Fächer studieren, wie Ingenieurwissenschaften. In Ökonomie aber werden nur sehr wenige Kurse angeboten. Kulturelles Wissen über andere Länder beziehen die Menschen lediglich aus Büchern oder dem Fernsehen. Das ist zu wenig, denn für ein so globales Thema wie erneuerbare Energien müssen immer auch soziale, ökonomische und kulturelle Aspekte miteinbezogen werden.
Was leistet der bi-kulturelle Masterstudiengang?
Bakr: Es geht im Masterstudiengang um Kultur, Ökonomie, soziale Fragen und Technik. Dieses breite Wissen professionalisiert uns. Wir brauchen diese Fähigkeiten überall auf der Welt. Will man zum Beispiel ein Projekt zu erneuerbaren Energien in einem anderen arabischen Land durchführen, muss man auch dort unterschiedliches Wissen zusammenziehen: Was wird gebraucht? Was ist vorhanden, was muss von außen geholt werden? Auch Europäer passen ihre Technik an den eigenen Bedarf an und nutzen technische Bauteile und Expertise aus anderen Ländern. Die Technik ist sehr jung. Niemand weiß alles.
Haagen: Ich gewinne im Studiengang Einblicke in verschiedene Technologien. Das ist zwar oberflächlicher als das Wissen der Ingenieure, aber es ermöglicht mir den Zugang zu der Thematik. Es ist wichtig, sich im Vokabular zurecht zu finden oder die relevanten Kennzahlen zu kennen. Das hilft enorm, um sich in der Branche zu orientieren. Mit dem Hintergrund kann man schnell darauf schließen, was für eine Region sinnvoll ist und was nicht. Dafür muss man nicht die Effizienz bis auf die dritte Stelle nach dem Komma berechnen.
Bakr: Das Studium ist durch seine Vielfalt für alle eine große Herausforderung. Aber kein Sieg ohne Einsatz. Du musst hart arbeiten, wenn du jung bist, damit du gut leben kannst im Alter – sagen wir in Ägypten. Also tue ich das.
Haagen: Es ist schon eine Mammutaufgabe, an deutschen Universitäten – die traditionell eher theoretisch ausgerichtet sind – einen Studiengang zu realisieren, der praktisch, interdisziplinär und interkulturell ist. Es gibt noch Stolpersteine, aber die Wichtigkeit des Themas rechtfertigt die Herausforderung. Wäre es einfacher, wäre ein solcher Masterstudiengang nicht notwendig.