Part I: Die „kenianische Frohnatur“ in Deutschland
Ich heiße Hawa Noor und bin in Nakuru, Kenia, geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium der Mediensoziologie an der Islamischen Universität Uganda habe ich drei Jahre als Journalistin in Kenia gearbeitet. Bei meinen Besuchen in Deutschland – meine Schwester wohnt dort mit ihrer Familie in der Gegend von Aachen – habe ich Land und Leute lieben gelernt. Das war dann auch neben meinem Wunsch, mich weiterzubilden, ein Grund dafür, an einer deutschen Universität studieren zu wollen. Meine Bewerbung um ein Stipendium vom DAAD verlief zu meinem großen Glück erfolgreich. So ging es Anfang 2008 nach Leipzig zum Deutschkurs. Nach Ablegung der Sprachprüfung nahm ich 2008 in Magdeburg das Studium der Friedens-und Konfliktforschung auf.
Einige meiner Erfahrungen könnten auch interessant für andere sein. Ich stamme aus einer „kollektivistischen“ Gesellschaft, in der die Menschen im Bewusstsein handeln, dass ihr Tun sich auf andere auswirkt, von anderen beeinflusst ist und in der alles zunächst aus der Perspektive der Gemeinschaft betrachtet wird. Mit dieser „kenianischen Frohnatur“ ausgestattet, hat es immerhin über vier Monate gedauert, bevor sich in Deutschland die ersten Anzeichen von Einsamkeit und Heimweh bemerkbar machten.
Die Mühe, die ich in das Deutschlernen steckte, hat sich ausgezahlt, denn mit der Beherrschung der Sprache konnte ich auch die „deutsche Mentalität“ sehr viel schneller verstehen. Als Muslimin war mir das Deutschlernen schon allein deswegen besonders wichtig, weil es zu unserem religiösen Selbstverständnis gehört, andere Kulturen und Sprachen zu verstehen, um Vorurteile zu überwinden und einen wirklichen Einblick zu erhalten. Das machte mir das Leben in der Fremde sehr viel leichter.
Der deutsche Lebensstil hat bei mir Spuren hinterlassen. Wo auch immer ich mich aufhalte, an jedem x-beliebigen Ort auf der Welt, ich messe alles an deutschen Maßstäben. Warum? Weil sich Werte wie Pünktlichkeit, Ordnung und Gründlichkeit schlicht als gut erweisen, wenn es darum geht, schnell ans Ziel zu kommen!
Part II: Auf dem steinigen Weg der Reintegration
Obwohl ich innerlich darauf vorbereitet war, dass es bei meiner Rückkehr in die Heimat zu einem Kulturschock kommen könnte, war ich doch nicht gegen alle Schwierigkeiten gewappnet.
Nehmen wir das Beispiel Geschlechterrollen. Obwohl wir in Zeiten der Globalisierung leben, gibt es doch auch noch viele Menschen mit traditionellen Vorstellungen, die von den Veränderungen der Moderne nicht allzu viel halten. Mich verstört es am meisten, wenn ich Menschen begegne, die sich weigern, andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Mir sind einige Begegnungen in Erinnerung, in denen man mir „höfliche“ Ratschläge über ein angemesseneres Auftreten erteilen zu müssen glaubte.
Manchmal stieß ich auch schlicht an Grenzen – viele haben einfach nicht verstanden, was ich sagen wollte. Zuerst habe ich mich natürlich wahnsinnig auf alte Freunde gefreut, auf das Lachen und das freundliche Lächeln, das bei uns zu Hause vorherrscht. Ich wollte die anderen an meinen Erfahrungen teilhaben lassen und hoffte, damit auch Verbesserungen im eigenen Land voranzutreiben. Aber das hat sich eigentlich als Enttäuschung herausgestellt. So habe ich im Laufe der letzten beiden Jahre gelernt, mich mehr mit Gleichgesinnten zusammenzutun, die mich von sich aus verstehen. Seitdem macht das Leben wieder viel mehr Spaß!
Den größten Herausforderungen war ich sicher in meinem Berufsalltag ausgesetzt, denn dort gilt es, ganz bestimmte Regeln einzuhalten. Zu meiner Arbeit gehört es, verschiedene religiöse Gruppierungen im Einsatz für den religiösen Frieden zusammenzubringen, da ist viel Flexibilität und Verständnis erforderlich. In den meisten Fällen kann ich auf Unterstützung durch andere zählen. Aber es gibt auch Momente, die mir viel Geduld abverlangen, in denen ich mit Vorurteilen und Intoleranz der anderen zu kämpfen habe.
Weil ich weiß, dass ich mit diesen Schwierigkeiten nicht alleine da stehe, habe ich mich voll auf meine Arbeit konzentriert – auf ein interkulturelles Projekt zur Förderung der Verständigung zwischen dem Westen und Afrika und der kulturellen Vielfalt.
Part III: Vom Glück der Heimkehr
Wie schön es ist, wieder in der Wärme zu sein! Was ich wirklich nicht vermisse, ist das Klima in Europa. Während meiner Studienzeit in Magdeburg habe ich eine regelrechte Phobie vor der Kälte entwickelt. Ich wohnte da alleine, musste viel lernen, und kam nur selten vor die Tür. Wenn ich im Winter meine Vorhänge aufzog, ging der Blick aus dem Fenster hinaus auf graue, triste Hausfassaden. Ich fühlte mich sehr einsam. Tatsächlich kann es auch in Kenia im Juli kalt und verregnet sein, aber das fühlt sich trotzdem anders an.
Positiv ist auch, dass meine akademische Ausbildung hier einen großen Wert hat. Wenn ich ab und an über meinen akademischen Werdegang spreche, kann ich spüren, mit wie viel Respekt man mir begegnet, und das dient mir als weiterer beruflicher Ansporn. Als Lehrbeauftragte an der Universität von Nairobi mache ich die Erfahrung, dass mich die Studierenden inspirieren. Meine interkulturellen Aktivitäten und Interessen nutze ich auch für meinen Unterricht, um Toleranz, Weltbürgertum und Verständnis für andere Kulturen bei den Studierenden zu fördern.
Ich kann deshalb nur allen Alumni raten, sich vor der Rückkehr in ihre Heimat nicht zu fürchten und vielmehr stolz auf ihre Auslandserfahrungen zu sein. Das ist schließlich etwas, was man vielen anderen voraushat. Wir sollten die positiven Erfahrungen, die wir in anderen Kulturen, ob im Osten oder im Westen, gesammelt haben, auch zu Hause umsetzen und die Werte in unsere eigene Kultur hinüberretten, ohne uns darum zu scheren, was andere über uns denken. Dabei sollten wir uns leiten lassen von dem Ziel, Humanismus und Fortschritt zu befördern. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, die Welt wäre ein angenehmerer Ort, wenn wir alle so organisiert, pünktlich und ordentlich wie die meisten Deutschen wären und so fröhlich und gastfreundlich wie die meisten Kenianer!