Das Beste draus machen

Wenn ich meinem Leben eine Geschmacksnote zuordnen sollte oder ein Gericht, würde ich sagen: Meine Heimat habe ich 2010 als Tortilla verlassen. 2012 kam ich dann aus Deutschland nach Mexiko zurück wie ein Eintopf mit Reis, Chilli, Tortilla, Linsen, Curry und Kochbanane. Daran ist abzulesen, dass mir im Masterprogramm Energie- und Umweltmanagement Menschen aus allen möglichen Kulturen begegnet sind. Gemeinsam war uns das Glück, die Gelegenheit zu diesem Studium bekommen zu haben.

Zurück in Mexiko © Privat

Zurück in Mexiko © Privat

Gegen Ende des Masterprogramms überkamen mich widerstreitende Gefühle. Da war einerseits die Angst vor der Zukunft, die immerzu an mir nagte: „Ist es richtig, direkt nach dem Examen zurück nach Mexiko zu gehen? Oder sollte ich lieber versuchen, in Deutschland eine Arbeit zu finden?“ Andererseits wollte ich unbedingt zurück nach Mexiko, um mit dem im Ausland Gelernten dort einen Beitrag zu leisten und zu helfen – oder vielleicht auch nur aus Heimweh. Das Verrückte daran war, dass ich nach dem Abenteuer des Auslandstudiums nun auch nicht mehr davor zurückschreckte, andere mutige Schritte zu tun, und die Angst davor abgelegt hatte, meine Komfortzone zu verlassen. Und die lag inzwischen, nach dem Studium, in Deutschland!

Dann war es irgendwann tatsächlich an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Bleiben oder gehen? Tagelang quälte ich mich mit der Frage herum, was wohl das Richtige wäre. Dann hörte ich den Salsa-Song: „Si del cielo te caen limones aprende a hacer limonada“, was ungefähr so viel heißt wie: „Wenn das Leben dir Zitronen zuwirft, mach Limonade draus!“ Das beruhigte mich irgendwie. Ich begriff, dass es so was wie die eine richtige oder falsche Entscheidung nicht gibt. Diese Liedzeile lässt sich so verstehen, dass man das Leben nehmen soll, wie es kommt – oder aber auch, dass man nicht passiv abwarten, sondern das Leben aktiv gestalten soll mit alldem, was uns dafür gerade zur Verfügung steht.

Wiedersehen mit der Familie © Privat

Wiedersehen mit der Familie © Privat

Im September traf ich – oder vielmehr die Neuauflage von mir – also wieder in Mexiko ein. Das war allerdings eine ziemlich kalte Dusche, denn ich fühlte mich ziemlich fremd im eigenen Land. Für den Fall, dass euch nach eurer Rückkehr aus dem Ausland auch solche Gefühle überkommen sollten, möchte ich hier die Gelegenheit ergreifen, euch einen guten Ratschlag zu geben: Geht spielerisch an die Sache ran und verbringt die ersten Tage in eurer Stadt mit irgendwas, wofür euch vorher die Zeit gefehlt hat und was ihr schon länger mal machen wolltet. Flaniert einfach herum oder trefft euch mit eurer Familie, aber am allerwichtigsten, nehmt euch Zeit für euch selbst. So werdet ihr das Gefühl los, dass die Außenwelt maßgeblich darüber bestimmt, wer ihr seid und wie es euch geht. Es ist nämlich umgekehrt: Ihr seid diejenigen, die gekommen seid, um die Verhältnisse zum Besseren zu verändern!

Ich will damit nicht sagen, dass das leicht ist. Ich war arbeitslos und musste nun auf einem in meiner Heimat schlecht bezahlten Feld eine berufliche Zukunft für mich suchen. Dann fiel mir wieder der Salsa-Song ein: Abwarten, was auf mich zukommt, ich werde schon das Beste draus machen. Und tatsächlich dauerte es dann auch gar nicht lange, da bot mir ein ehemaliger Kollege einen Job an. Und da wäre ich auch schon bei meinem zweiten Tipp für euch: Meldet euch bei euren ehemaligen Arbeitgebern, Kommilitonen und Professoren zurück, wenn ihr wieder in der Heimat angekommen seid.
Lasst sie wissen, dass ihr jetzt wieder da seid, mit besseren Qualifikationen als zuvor. Manche von ihnen signalisieren vielleicht die Bereitschaft, euch zu helfen, andere nicht. Wenn der erhoffte Beistand ausbleibt, solltet ihr das auf keinen Fall persönlich nehmen. Glaubt mir, es findet sich immer irgendjemand, der einem die Hand reicht, manchmal auch von ganz unerwarteter Seite.

Knapp einen Monat nach meiner Abschlussfeier saß ich schon als Beraterin im Umweltministerium. Das erste Mal, dass ich für eine Regierung arbeitete. So einen Job hatte ich mir immer eher langweilig und bürokratisch vorgestellt. Tatsächlich erwies er sich als das genaue Gegenteil. Daher auch mein dritter und letzter Ratschlag: Seid flexibel und ergreift die Chancen, die sich bieten. So könnt ihr zeigen, was in euch steckt. Und was ihr von der deutschen Kultur gelernt habt: Seid pünktlich, effizient, pflichtbewusst und vergesst nicht, dass andere sich auf euer Wort verlassen. Denkt daran, dass ihr das Talent habt, jede Gelegenheit zu nutzen, um aus einem Problem etwas zu machen.

Und sollte euch dabei einfallen, wie wir gemeinsam Limonade machen können, meldet euch doch einfach bei mir. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen. Prost!

Dieser Beitrag wurde unter Blog veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.