Nachhaltigkeit: Mit diesem Thema setzen sich Studierende der „Entwicklungsländerbezogenen Aufbaustudiengänge“ nicht nur wissenschaftlich auseinander. Mit einem Theaterstück betraten die Teilnehmer des Masterprogramms „Environmental Governance“ der Universität Freiburg künstlerisches Neuland.
Auf der Bühne steht eine junge Frau, bekleidet mit Ranken und einem Blumenkranz im Haar. Unschuldig und ein wenig ängstlich blickt sie in die Runde, während ein Mann in weißem Hemd und Schlips geschäftsmäßig ihre Vorzüge anpreist: „Die Amazonas-Region. Hier finden sich 20 Prozent aller Frischwasser-Reserven der Erde, die nur darauf warten, in Flaschen gefüllt und verkauft zu werden. Was höre ich für Gebote?“ Die Auktion kommt in Gang, bis sie lautstark von Demonstranten gestört wird. Doch diese werden abgeführt und müssen sich damit begnügen, von der Straße aus wütend gegen die Fensterscheiben zu schlagen.
Im Rahmen des Right Livelihood College Campus (RLCC) am Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) führten Freiburger Studierende ein ungewöhnliches Theaterstück auf: „Setting the Stage for Sustainable Consumption“ beschreibt den Weg einer Gruppe von Bürgern zu mehr Umweltbewusstsein – und die Fallstricke der Gesellschaft. Viele der Laiendarsteller kommen aus Entwicklungsländern und werden vom DAAD gefördert.
Selbstexperiment: Nachhaltig leben
Fester Bestandteil des Freiburger Studiengangs ist ein „student organized event“, für das der jeweilige Jahrgang zuständig ist. Die Studierenden bearbeiten zwei Semester lang ein selbst gewähltes Thema, das sie am Ende des dritten Semesters auf dem „Freiburg Forum on Environmental Governance“ öffentlich präsentieren. Bisher hatten die Studierende immer eine wissenschaftliche Konferenz geplant. Die letzte im Februar 2011 war Teil des Millennium Express. Der Jahrgang 2010-12 packte die Sache einmal anders an: Wie schwierig wird der Alltag, wenn man versucht nachhaltig zu leben? Einige Studierenden probierten es aus und hielten ihre Erfahrungen in einem Dokumentarfilm fest. Außerdem entstand das Theaterstück „Setting the Stage for Sustainable Consumption”.
Scientific Theater weckt Emotionen
Das Stück prangert Missstände an: Die Ausbeutung von Bauern in den Entwicklungsländern durch Zwischenhändler, Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und Kreditanstalten, das Gefüge von Macht und Korruption sowie die Trägheit der Konsumgesellschaft. Die Studierenden bedienten sich zu diesem Zweck eines Konzepts aus der Entwicklungsarbeit, des „Scientific Theater“. Es wurde entwickelt, um Bildungsinhalte auf der emotionalen Ebene zu vermitteln und die Zuhörer so besser zu erreichen. Dabei fallen manche Szenen recht plakativ aus: Entkräftete Tomatenbäuerinnen brechen unter dem Druck der immer härteren Produktionsbedingungen zusammen. Auf einer Odyssee über die Meere erliegt die Besatzung eines Rettungsflosses den Sirenen des Konsums, die sie mit I-Pods und Flachbildschirmen locken. Es darf aber auch gelacht werden. „Sich mit Umweltfragen wissenschaftlich auseinanderzusetzen, ist deprimierend“, sagt der deutsche Student Torben Floerkemeier. „Da kann ein wenig positive Energie nicht schaden.“
Einfache Antworten gibt das Theaterstück nicht. Es hilft aber dabei, die richtigen Fragen zu stellen. Kein Fleischkonsum, keine Flüge, kein Wachstum – ist eine solche Gesellschaft möglich? Und wer will sie? Durch die künstlerische Arbeit setzten sich die Studierenden auch mit ihrem eigenen Dilemma auseinander: „Wenn ich später einen Beruf ergreife, in dem ich mich für mehr Nachhaltigkeit einsetzte, bin ich ständig unterwegs“, sagt Griselda Bereciartu aus Spanien. „Ich muss fliegen und im Restaurant essen – das alles widerspricht dem eigentlichen Ziel.“
Ermutigung
Die Theaterarbeit hat die Studierenden ermutigt: Aus der Erfahrung, Neuland zu betreten und den akademischen Betrieb ein Stück weit herauszufordern, zog Olga Weigel aus Kasachstan den Schluss: „Spring einfach ins kalte Wasser. Wenn Du dich traust, wird es gut enden.“
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