Deutschland gilt als internationaler Vorreiter in Sachen Naturschutz und Nachhaltigkeit. Doch 40 internationale Deutschland-Alumni kamen auf der Insel Rügen zu überraschenden Ergebnissen.
„Unser Land gilt als Musterbeispiel auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Den Teilnehmern wollten wir zeigen, dass es aber auch hier zum Teil knirscht“, sagt Dr. Tiemo Timmermann. Er ist Organisator des Alumni-Seminars und Koordinator des Masterstudiengangs Landscape Ecology and Nature Conservation (LENC) an der Universität Greifswald.
LENC gehört zu dem Alumni Network for Ecology, Sustainability and Nature Conservation (ANESCo). Mit dabei sind das Studienbegleitprogramm für internationale Studierende (Stube) in Berlin, sowie weiterer Deutschland-Alumni aus den Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Sozialwissenschaften mit einem Fokus auf Umweltthemen. ANESCo hatte Anfang Juni auf die Ostsee-Insel eingeladen, unterstützt vom DAAD.
Praxis statt Konferenz
In fünf Gruppen untersuchten die Alumni Themen wie Ökotourismus, Umweltbildung, Management von Naturschutzgebieten und Landnutzung sowie Verkehr, Energie und Klima. Dr. Libertad Chavez-Rodriguez war begeistert: „Mich reizte der praktische Ansatz und die Möglichkeit, von den Erfahrungen und Fähigkeiten anderer zu lernen“. Die Deutsch-Mexikanerin studierte Regional Science and Regional Planning an der Universität Karlsruhe und arbeitet jetzt als Wissenschaftlerin im Bereich Umwelt und Politische Ökologie am nationalen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut CIESAS ihrer Heimat.
Jede Gruppe überlegte zunächst, wie sie die Fragestellung bearbeitet: „Wir haben gemeinsam eine Idee entwickelt, bei der jeder sein Wissen und seine Erfahrungen einbringen konnte“, sagt Libertad Chavez-Rodriguez . Anschließend betrieben die Teilnehmer zweieinhalb Tage Feldforschung. Besonders ergiebig waren Interviews mit verschiedenen Stakeholdern: „Die Gespräche liefen sehr gut – internationale Wissenschaftler kommen selten nach Rügen“, so Organisator Tiemo Timmermann.
Zu viel Dünger, wenig Budget
Eine Gruppe erkundete das Biosphärenreservat Südost-Rügen. Dort sollen menschliche Aktivität, Landnutzung und Naturschutz in Einklang gebracht werden. Die Teilnehmer hörten Inputs von Experten und erfuhren, wie das Reservat gemanagt wird. Dabei deckten sie Missstände auf: Während der Ökotourismus sehr gut funktioniert, werden bei der Landnutzung Pestizide und Dünger so intensiv eingesetzt, dass Teile davon in der Ostsee landen.
Auch die anderen Gruppen identifizierten Probleme, die sie eigentlich nur in ihrer Heimat erwartet hätten, wie hohe Arbeitslosigkeit im Winter und der Wegzug der Jugend mangels Perspektiven. Ein weiteres Problem überraschte den LENC-Alumnus Babu Ram Bhattarai: „In Nepal haben wir für viele Projekte zu wenig Geld. Ich hätte nicht gedacht, dass es auch in einem so entwickelten Land wie Deutschland Budget-Engpässe gibt“.
Und noch eine Überraschung erlebten die Teilnehmer: Die Kommunikation zwischen den Akteuren, zum Beispiel zwischen Naturschutzverwaltung und Landwirten, funktioniert in vielen Regionen der Welt besser als hierzulande. „Auf Rügen fehlen gemeinsame Treffen und Rituale, die den sozialen Zusammenhalt stärken. Solche Formen erleichtern es, gemeinsame Lösungen und Kompromisse zu finden“, erklärt Tiemo Timmermann. Eine Publikation mit allen Ergebnissen und Handlungsempfehlungen der Alumni ist geplant.
Nächstes Mal in einem Entwicklungsland
Die gemeinsamen Tage in Greifswald und auf Rügen haben allen gezeigt, dass sie ein gutes Team sind und weiter im ANESCo-Netzwerk zusammenarbeiten möchten. „Mit unseren verschiedenen Perspektiven auf Nachhaltigkeit und Naturschutz können wir etwas bewegen“, so Babu Ram Bhattarai. Um weiterhin sinnvolle Arbeit zu leisten, möchte ANESCo für ein nächstes Treffen in ein Entwicklungsland, um dort zum Beispiel eine Partnerschaft mit einem Schutzgebiet oder auch mit Schulen aufzubauen.
Weitere Informationen:
ANESCo auf dem Alumniportal-Deutschland
Artikel zu LENC „Ökosysteme und ihre Artenvielfalt erhalten“
Bildergalerie vom Workshop