Interview mit Ulrich Hoffmann über Chancen und Grenzen
Dr. habil. Ulrich Hoffmann arbeitet für die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Sie ist im Rahmen der UN-Vollversammlung für die Analyse und internationale Diskussion von handels- und entwicklungspolitischen Fragen für Entwicklungsländer zuständig. Als Leiter der Sektion Handel und nachhaltige Entwicklung setzt sich Ulrich Hoffmann kritisch mit den Chancen und Grenzen der Green Economy auseinander.
Schon auf der Rio-Konferenz 1992 haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen darauf geeinigt, Energie, Ressourcen und Rohstoffe nachhaltiger zu nutzen. Was ist daraus geworden?
Ulrich Hoffmann: Fortschritt wird diesbezüglich eher in Millimetern gemessen und ich muss leider sagen, er ist weit geringer als erwartet. Insgesamt haben technologischer Fortschritt und struktureller Wandel es nicht vermocht, die absolute quantitative Zunahme des Verbrauchs von Energie, Ressourcen und Rohstoffen zu neutralisieren oder sogar überzukompensieren. Ich kenne nur eine nennenswerte Ausnahme gegen diesen Trend: Der Bestand an heutigen Kühlschränken verbraucht dank der Energieeffizienzklassen insgesamt weniger Strom als in der Vergangenheit.
Aber es gibt doch Bereiche, in denen neue Technologie zu Energieeinsparung geführt hat, etwa bei Autos.
Das stimmt: Fahrzeuge verbrauchen inzwischen deutlich weniger Kraftstoff. Dennoch frisst der genannte Rebound-Effekt 30 bis 50 Prozent dieser Einsparung auf: Verbrauch und somit Kosten sinken, aber dafür fahren die Menschen mehr Kilometer oder haben mehrere Fahrzeuge. Aus meiner Sicht ist deshalb sehr vorsichtiger Optimismus angesagt.
Wie will die Green Economy das Problem anpacken?
Der klassische ökonomische Ansatz geht von stetigem Wachstum aus. Die Green Economy kommt zu der Erkenntnis, dass wir nicht unbegrenzt expandieren können, weil unsere Umwelt das nicht zulässt. An drei Punkten können wir ansetzen: Produktion drosseln, effizientere Technologie einsetzen, beispielsweise beim Auto effizientere oder Elektro-Motoren und leichtere Karosserie, und schließlich Strukturen ändern: also aufs Auto öfter verzichten und öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
Und das funktioniert?
Was in der Theorie gut klingt, ist in der Praxis leider schwer umzusetzen. Deshalb sehe ich die Green Economy auch kritisch. Wenn zum Beispiel die Firmen BMW und Mercedes Leichtbau-Fahrzeuge mit geringerem Energieverbrauch bauen wollen, klingt das zunächst nach einer positiven Nachricht für die Umwelt. Die leichte Karosserie wird jedoch bei beiden Firmen aus Kohlenstofffasern bestehen, deren Produktion pro Kilogramm Material mehr CO2 verursacht als andere Gehäusematerialien wie Stahl, Aluminium oder auch Magnesium. Des weiteren lassen sich Kohlefasern nur schlecht entsorgen oder wiederverwerten. Deshalb ist die Rechnung zur Energieeinsparung auf Lebenszeit pro Fahrzeug komplizierter als sich dies viele denken.
Trotzdem propagieren Sie die Green Economy, auch gegenüber den Entwicklungsländern. Warum?
Die Green Economy ist zurzeit die beste Alternative, die wir haben. Für Länder, deren Industrie noch im Aufbau ist, stellt sich die existenzielle Frage: Welcher Spielraum bleibt für Entwicklung, wenn wir weltweit die Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren müssen? Die Folgen des Klimawandels – Überschwemmungen, Naturkatastrophen, Nahrungsmittelknappheit – treffen zuerst die Entwicklungsländer. An einer nachhaltigen Wirtschaft, die sich auf diese Folgen einstellt, kommen diese Staaten deshalb nicht vorbei, auch wenn sie diese oft noch als Daumenschraube empfinden.
Kann uns die Green Economy vor dem Klimawandel retten?
Bis 2050 soll die Erderwärmung um nur zwei Grad steigen statt der zurzeit eher wahrscheinlichen drei bis vier Grad. Dafür müsste der globale Ausstoß an Treibhausgas um 50 bis 85 Prozent sinken. Um dies bei einem durchschnittlich angenommenen Wirtschaftswachstum von zwei Prozent jährlich zu erreichen, müsste die Kohlenstoffintensität der Weltwirtschaft von gegenwärtig 770 Gramm pro Dollar erzeugten Bruttoprodukts auf nur sechs Gramm im Jahr 2050 fallen, das heißt um das 130fache. Dies ist 16mal schneller als im Zeitraum von 1980 bis 2008, als die Kohlenstoffintensität insgesamt um lediglich 23 Prozent fiel. Das zeigt die Dimension der globalen Herausforderung, der wir uns gegenübersehen. Es bleibt abzuwarten, ob die Green Economy, vor allem basierend auf einem drastisch veränderten Ordnungs- und Anreizsystem, tatsächlich dieser Dimension gewachsen ist. Darüber müssen wir noch viel nachdenken. Dennoch sollte man kurz- und mittelfristig auch viele positive Effekte der Green Economy sehen: So entstanden beispielsweise durch den Bereich Erneuerbare Energien in Deutschland mehr Jobs als in der Automobilbranche.