Welche Rolle spielen Staaten, Märkte und Zivilgesellschaft für Entwicklung? Diese Frage beschäftigte Alumni aus drei entwicklungsbezogenen Postgraduiertenstudiengängen mit Schwerpunkt Ökonomie. Ort der Diskussion war die dreitägige DAAD-Sommerschule in Berlin.
Neu war die Zusammensetzung der Teilnehmer: Gewöhnlich findet die traditionelle Sommerschule nur für die Alumni des Masterstudiengangs International and Developement Economics (MIDE) statt. Doch dieses Jahr kamen auch Ehemalige des Studiengangs Small Enterprise Promotion and Training (SEPT) der Universität Leipzig und des Masterstudiengang Developement-Management an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie Experten von der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen oder der Welthandelsorganisation.
Ein erfolgreiches Konzept, sagt MIDE-Studiengangssprecher Ulrich Wurzel, denn schon die unterschiedliche theoretische und praktische Ausrichtung der Studiengänge biete genug Stoff für fruchtbare Auseinandersetzung. „Neben den fachlichen Debatten ist das Ziel unserer Sommerschule die stärkere Vernetzung unserer internationalen Alumni und Studierenden.“
Inspirierender Austausch
„Das Wichtigste ist in der Tat der Austausch der Ideen“, bestätigt Farai Madzongwe aus Simbabwe. Die 42-jährige hat das MIDE-Programm 2006 abgeschlossen und leitet in ihrem Heimatland inzwischen mehrere Unternehmen, die Entwicklung vorantreiben – eines fördert beispielsweise den Fischhandel in ländlichen Gegenden mit solarbetriebenen Kühlvorrichtungen.
Die Unternehmerin überzeugte die 140 Teilnehmer mit ihrem Vortrag aus der alltäglichen Praxis. Sie selbst war beeindruckt von den Erfolgsprojekten anderer Alumni wie zum Beispiel einer Stiftung in Kenia, die vielversprechende Privatinitiativen für Entwicklung unterstützt. Vergleichbares könne man auch in Simbabwe realisieren, meint Farai Madzongwe. „Wir Alumni setzen unsere Expertise in verschiedenen Ecken der Welt ein. Die Tatsache, dass wir uns untereinander kennen und austauschen, stärkt uns gegenseitig und macht Zusammenarbeit möglich.“
In fünf kleineren Arbeitsgruppen erörterten Alumni und Studierende aus unterschiedlichen Perspektiven die Rolle von Märkten und Staaten für Entwicklung: Was hat die neoliberale Wirtschaftspolitik der letzten 30 Jahre für Entwicklung gebracht? Wo hat der Staat versagt, wo die Märkte? Welche Erfahrungen machen heute Unternehmerinnen oder Entscheidungsträger in Afrika, Asien und Lateinamerika? Muss man die Märkte nach den Krisen der letzten Jahre neu eichen?“ Zu fortgeschrittener Stunde mussten die Veranstalter die angeregten Debatten sogar mit sanftem Druck abbrechen, berichtet Studiengangssprecher Ulrich Wurzel. „Es war beeindruckend zu erleben, mit wie viel kritischem Urteilsvermögen sich unsere Alumni mit einflussreichen Wirtschaftstheoretikern Wortgefechte auf Augenhöhe lieferten.“
Auch für die Vietnamesin Pham Lien Anh, die den SEPT-Studiengang bereits 1996 abgeschlossen hat, war die Gruppenarbeit inspirierend und lehrreich. „Wir Ehemaligen kommen mit unterschiedlichen Erfahrungen aus aller Welt wieder zusammen, um die Zukunft unserer Länder zu besprechen – das ist ein großer Gewinn für alle.“ Pham Lien Anh arbeitet für die Internationale Finanz-Corporation IFC, die Entwicklungen im Privatsektor in Entwicklungs- und Schwellenländern vorantreibt.
Sie berichtet über ein Programm zur Verbesserung der Infrastruktur in der Stadt Danang, das erstmals öffentliche Hand und private Unternehmer partnerschaftlich umsetzen. Genau das interessierte die aktuellen Stipendiaten. „Es ist eine Bereicherung für unser theoretisches Studium, die verschiedenen Experten aus dem praktischen Entwicklungsbereich zu erleben und von ihnen zu lernen“, sagt die Philippinin Christina Carmina, die mit einem DAAD-Stipendium im Masterprogramm Entwicklungsmanagement in Bochum studiert.
Auf der Berliner Sommerschule schloss sich damit ein wertvoller Kreislauf: Während die jungen Theoretiker von dem Praxiswissen der Alumni lernten, nahm Pham Lien Anh ein nützliches „Update über die aktuellen theoretischen Debatten der Ökonomen in Bezug auf Entwicklung“ mit nach Vietnam zurück. „So entsteht eine großartige Kontinuität zwischen Geben und Nehmen“, findet Unternehmerin Farai Madzongwe.